Das Schlimmste …

Nach einer kurzen Nacht wachte sie ein wenig zu spät auf. „Nur noch fünf Minuten“, dachte sie, und nach einer halben Stunde quälte sie sich aus den Federn. Und tümpelte missmutig herum – bis sie endlich im Auto saß, auf dem Weg zur Arbeit.

Stau. Sie fuhr „durch die Gassen“, mied die verstopften Hauptstraßen, folgte eine ewige Einbahn lang einem Fahrschüler mit Tempo 30, um dann in der ersten Reihe hinter einem Müllauto beobachten zu dürfen, wie die „orangen Männer“ so trödelten, wie sie es gern getan hätte.

Kein Parkplatz. Doch, hier – und rein ins Büro, noch im Mantel zum scheppernden Telefon und irgendeine Ausrede, die die anderen nur deswegen zu glauben vorgeben, weil sie die Pein des zu spät Kommenden aus eigener Perspektive kennen.

Eine Besprechung, die viel zu lange dauert, viel Gelaber, wenig Fakten. Zum Schluß sind sich alle einig, dass man das Maximum erreichen will. No na! Ein durch das leere Geplapper verpasster Termin, Himmelherrgott, man kann eben nicht alles gleichzeitig machen. Auf dem Klo fällt ihr auf, dass es hier wenigstens leise ist – sie merkt erst jetzt, dass ihr Kopf dröhnt, dass ihr speiübel ist. Ein Griff zur Stirn: heiß.

Heimgehen? Keine Chance, zu viel Arbeit, also Schritt für Schritt, Eins nach dem Anderen und schnell und effizient. Und Glück gehabt – heute schon nach nur zwei Überstunden fertig, ein Rekord für diesen Monat. Raus aus dem Büro – das Auto ist weg.

Wo es stand, prangt jetzt ein Schild: „Halteverbot ab 10 Uhr“, viel früher schon hat sie dort geparkt, da war kein Schild zu sehen. „Taxi, Taxi!“ – und damit zur „Autoaufbewahrungsstelle“, wo alle abgeschleppten Kübel stehen. Als sie wieder im Auto sitzt, hat viel Geld den Besitzer gewechselt. Sie läßt einen lauten Schrei, weil sie einmal gehört hat, dass Schreien Ärger löst. Nur noch heim ins Bett. Mist, die falsche Autobahnauffahrt!

Nach zehn Kilometern endlich der Wechsel in die andere, richtige Richtung, und Stau. Zu viel Zeit damit verloren, das Auto abzuholen. Dann daheim. Kein Parkplatz, endlich doch einer, aber ausgerechnet neben der Hundescheiße, in der nun ihr Fußabdruck prangt. Rein zur Tür, der Kleiderbügel bricht.

Egal, nur ab ins Bett. Da läutet das Telefon. Raus aus den Federn. Sie hebt den Hörer ab, im selben Moment legt der Anrufer auf. Sie will sich ein Bad einlassen. Nur kaltes Wasser? Die Heizung springt nicht an. lm Kühlschrank rohe Kartoffeln und Marmelade.

Wieder im Bett, Licht aus. Sie wartet, dass noch etwas passiert. Und tröstet sich. Schlimme Dinge passieren eben. So schlimm ist es ja auch wieder nicht, in Hundescheiße zu treten. Und man muss ja nicht gleich schreien, wenn einem einmal das Auto abgeschleppt wird, man kann ja auch Einspruch gegen die Anzeige erheben. Die Heizung kann nicht viel haben, immerhin hat sie ja am Morgen noch funktioniert. Und wen juckt schon ein abgebrochener Kleiderbügel.

Aber dass das alles an einem einzigen Tag passiert, das ist das Schlimmste von allem.

Ein einziger Tag
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Daß wir miteinander reden können, macht uns zu Menschen.”
Karl Jaspers, dt. Philosoph (1883-1969)
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