Heimat in Flaschen …
Mitten in Ottakring, ein paar Gehminuten von der Hernalser Hauptstraße entfernt, dort, wo sich der Ostbahnkurti und ein paar Kulissenschieber Gute Nacht sagen, steht ein Einhorn.
Einsam habe ich mich oft gefühlt in der neuen Wohnung: Ein neuer Bezirk, noch fremde Gesichter, eine ungewohnte Umgebung und immer wieder ein bisschen Heimweh. Als kleines Ablenkungsmanöver, gemixt mit ein wenig Sentimentalität, ging ich dann ab und zu „unter die Leute“ und trank ein Mineralwasser auf die Heimat.
Wiewohl jeder weiß, dass ich bis noch vor kurzem so gut wie keinen Alkohol zu mir nahm – ein Fohrenburger, das muss für eine Bludenzerin in der Fremde sein. Genau das Fohrenburger aus der Heimat, das in immer mehr Wiener Lokalen angeboten wird.
Und seit Neuestem nun auch ganz in meiner Nähe. Und das kam so:
Vis à vis von meinem Haus war eine alte Beiz. „Kaschemme“ hätte man auch sagen können. Nur wenige Leute verirrten sich dorthin, drinnen roch es nach altem Fett und beißendem Rauch und blöden Sprüchen, und irgendwann wurde das Lokal geschlossen.
Eines Tages aber begannen ein paar junge Leute, das Gasthaus wieder herzurichten. Ich freute mich darauf und hoffte, dass sie etwas „Körigs“ daraus machen würden. Den Umbau beobachtete ich ganz genau: dunkles Grün verwendeten sie. Nur das Schild am Eck, „Weinhaus“ stand drauf, das ließen sie stehen. Für mich kein gutes Omen (wie gesagt … bis vor ein paar Monaten trank ich so gut wie keinen Alkohol).
Ein paar Tage später, ein Blick aus meinem Schlafzimmer: Ich traute meinen Augen kaum, da prangte neben der „Weinhaus“-Schrift ein funkelnagelneues grünes Schild: „Zum Einhorn“. Das altbekannte Bludenzer Wahrzeichen, umzingelt von Fohrenburg-Lämpchen, und das mitten in Ottakring. Anlass genug, gleich auf ein Bier zu gehen.
Und wirklich, das Einhorn hat sich in der Zwischenzeit zu einem Lokal entwickelt, das seinesgleichen sucht. Man kommt sich vor wie daheim, in Bludenz, und ist kurz überrascht, wenn die Kellner Wiener Dialekt sprechen und nicht einfach fragen: „Hon Sie scho was gfunda?“.
Das Lokal, ohne viel Schnickschnack, einfach und sauber, die Bar, ein angenehmer Ort für ein „Stehbier“, die Karte vielfältig, der Koch heißt Enrico, sein Essen ein Hit und die Preise human, „für Vorarlberger Verhältnisse“ geradezu billig. Und herrlich das Service: Ein gelungener Schmäh, Sonderwünsche sind kein Problem und das Lächeln steht allen gut. Sogar die Musik, die in den meisten Lokalen, auch im Ländle, wie ein zwangsweise toleriertes Übel daherkommt, ergänzt die Atmosphäre vortrefflich. Man hört alles, was man fast schon vergessen hat und das Herz schwelgt in alten Erinnerungen.
Das Einhorn: ich bin froh, dass es so nah bei mir ist. Und auch meinen Freunden behagt nicht nur die Atmosphäre, ihnen schmeckt auch das Bier aus dem Ländle ganz ausgezeichnet.
So wünsche ich der neuen Crew, dass das Einhorn ihr ein gutes Zeichen sei: viel Erfolg, viele Gäste, viel Geschäft. Was sie zweifellos haben werden, wenn sie auf diese Art weitermachen.
Eben deshalb. weil sie „eppas Körigs“ auf die Beine gestellt haben.